Memento

Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?

Allein im Nebel tast ich todentlang
und lass mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.

Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;
– und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der andern muss man leben.

Mascha Kaleko

Mission

Tabuthema: tot sein

Der Tod trifft uns mit Sicherheit alle. Der Tod trifft mit Sicherheit jeden.

Ja, ganz bestimmt und ehrlich. Das einzig fixe im Leben ist der Tod.

 

Und dennoch wollen sich die wenigsten mit dem Thema beschäftigen. Alles Unbekannte macht Angst. Schon klar. Aber sollte die logische Schlussfolgerung nicht sein, sich umso mehr mit dem Thema Tod und Trauer zu beschäftigen, damit dem Kopfkino ein Ende bereitet wird! „ich dachte, der Papa liegt da als Skelet drinnen“, sagt ein 9-Jähriger, der sich anfangs nicht vom sterbenden Papa verabschieden wollte.

Täglich beschäftigen wir uns mit aktuellen Energiekosten, Spritpreisen, Kreditkonditionen, Versicherungskonditionen, Life Style und der Selbstdarstellung. Mit dem einzigen Ereignis, dass uns mit Sicherheit trifft, dem Tod, beschäftigen wir uns meist erst dann, wenn es zu spät ist. Stimmt! Oder? Der Tod ist nur für Unwissende bedrohlich. Wer kann sagen, dass er schon einmal 5 Minuten investiert hat, um sich Gedanken über seinen Tod und seine Wünsche diesbezüglich zu machen? 5 Minuten!   ->  44.150.400 Minuten hat die Durchschnittsösterreicherin Lebensminuten zur Verfügung. (Männer ein paar Minuten weniger-> also keine Zeit vergeuden ) Ganz ehrlich. „red ma ned drüber“, so nach dem Motto: vielleicht passierts ja dann doch nicht. Echt jetzt? Eines kann ich mit Sicherheit nach jahrzehntelanger Berufserfahrung versprechen: Hier geblieben ist noch niemand, auch wenn wir uns das schon oft ganz innig und zu Recht gewünscht haben. Es ist ein Schritt von hier nach dort, der würde- und respektvoll gegangen werden soll. Und das heißt für jeden etwas anderes. (AC/DC Thunderstruck war mal ein Wunsch einer Kollegin)

Es kam auch noch niemand zurück, um uns vom anderen Ende der Regenbogenbrücke zu berichten. Außer vielleicht in Heimsuchungen. Und deshalb müssen wir wohl davon ausgehen, dass es dort unendlich geil sein muss .Für alle Neuankömmlinge in der Materie: Unser Körper ist nur das Gewand der Seele. Oder wie ich immer sage: der Handschuh. Die Hand (Seele) schlüpft am Geburtstag in sein Gewand, den Handschuh (Körper) und am Todestag verlässt die Seele das Gewand wieder. Der Handschuh bleibt zurück als leblose Hülle. Also ein vorübergehender Wohnort für die Seele. Bemühen wir uns also um diesen Wohnort!

Jedermann /Jedefrau, der/die den Text schon mal bis hierhin geschafft hat, wird vermutlich schon einen dezenten Eindruck meines Umganges mit dem Thema Tod und Trauer bekommen haben. Sarkastisch, skurril, offen und direkt. So finde ich, kann ich meinen Zugang zum Thema Tod und Trauer am besten beschreiben. Und natürlich ehrlich. Sehr viele schätzen meinen Umgang mit dem Thema Tod und Trauer, da es dadurch zu einer wertvollen und hilfreichen Gesprächsbasis kommt und Gefühle zugelassen werden können.  Ach ja: ich habe noch nie eine Frage nicht beantwortet! oder fast nie. Bei einer Begleitung eines 10-jährigen Mädchens, dessen Oma verstorben ist, fragte mich diese, nachdem ich ihr den Unterschied zwischen tot sein und schlafen erklärte: „sag, aber wenn man sich nicht mehr bewegen kann, wenn man tot ist, wie kann der Tod dann die Oma geholt haben? Oder heißt er nur Tod und er ist gar nicht tot?“ manche Fragen bleiben dann doch offen.

Sind Sie noch  immer interessiert wie es weiter geht? Bravo!!Ich bin begeistert!                                                                               Seit ca. 2016 beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Tod /Sterben/Trauer. Nein eigentlich schon länger. Begonnen hat es mit Nahtoderlebnissen, die mir Patienten erzählt haben und ging weiter bis zu einer FBA über dieses Thema. An dieser Stelle Danke an Prof. Dr. Hans Bankl, einem namhaften Pathologen und Autor.  Bei meiner Arbeit mit Sterbenden und deren Angehörige habe ich schon so viel Schönes erlebt. Ja genau. Schönes!  „Schön, dass es noch Engel ohne Flügel gibt“, sagte eine Witwe, mit der ich Stunden bei ihrem Mann saß, und uns dabei Tränen herabkugelten.                      Ja!! Man darf weinen! Und natürlich viel Schmerz. Erst durch Schmerz und Trauer kann Neues entstehen. Keiner von uns will allein, mit Schmerzen oder im Ungewissen sterben! Habe ich recht? Sicher habe ich recht! Ich habe mit vielen Sterbenden darüber gesprochen und die werden es wohl wissen. 

Dies sind Wünsche, die jeder Sterbende hat. Und auch die Angehörigen und Freunde. Jeder /jede MUSS die Möglichkeit haben, sich zu Verabschieden! Stellt sich die nächste Frage: Wenn wir am Ende wissen, was wir wollen, warum lassen wir zu, dass sich Familie und Freunde und vor allem Kinder nicht verabschieden können? Man kann eine Verabschiedung nun wirklich nicht nachholen, dass sollte uns klar sein. Wer wären wir, um jemandem dies zu verwehren? Gott? Den Job hat schon ein anderer. 

Kommen wir zurück zu den Kids. Warum grenzen wir sie aus? Warum verweigern wir ihnen eine Verabschiedung? Na wohl aus den selben Gründen. Mann oder Frau müsste sich vorher selbst damit beschäftigen. Und als Steigerung: Mann oder Frau muss es den Kindern erklären. „Lieber nicht. Die verstehen es sowieso nicht!“ Falsch! Die verstehen es ganz genau. Selbst Babys registrieren, dass etwas nicht stimmt und werden unruhig. 3 mal darf Mann/Frau raten, was sich sterbende und hinterbliebene Kinder von uns Erwachsenen wünschen? Komisch … Überraschung: das gleiche wie Erwachsene! Sag mir die Wahrheit, Schmerzfreiheit, nicht allein Sterben!!!

All jene, die noch immer mit Interesse dem Text ihre Aufmerksamkeit teilen: meine Hochachtung! Sie scheinen wirklich interessiert zu sein . 

Denn, jetzt kommen wir zu meinem Lieblingsthema, über das nun wirklich gar keiner reden will: Kinder und Begräbnis. Ja genau!                                                                                                                                                                                                                       Kinder gehen zum Begräbnis!  Egal wie alt! Das Begräbnis ist genauso eine Ehrerbietung wie die Taufe oder Geburt. „Möchtest du, ja genau du, dass dein Kind nicht zu deinem Begräbnis kommt?!... nein?“ Woher soll ein Kind, welches irgendwann erwachsen wird, den Umgang mit Tod und Trauer lernen, wenn es immer ferngehalten wird? Sterben gehört nun mal eindeutig zum Leben. Gibt es dazu andere Meinungen? Es scheitert an kindgerechten und ehrlichen Erklärungen! „besser man lernt den Umgang mit Begräbnis, Tod und Trauer bei nicht so Nahestehenden, als dann bei der eigenen Mutter“. (jetzt sollte man eindeutig beipflichten ). Stopp!! Also falls jetzt jemand auf die Idee kommt zu meinen: „das lassen wir das Kind entscheiden“, der bekommt leider wieder ein: echt jetzt?! Ein Kind darf plötzlich entscheiden, ob es zu so einem wichtigen Ereignis mitgeht? Es darf aber nicht entscheiden, ob es am Abend Zähne putz oder nicht? Einfach mal nachdenken!

Ich ziehe den virtuellen Hut! Der interessierte Leser wird nun mit wertvollstem Wissen belohnt:

Wertvoll insofern, da ich nun den für mich wichtigsten Punkte der Trauerbewältigung verrate und den Kreis schließe. Das Begreifen! Be-greifen kommt von greifen! Wer nicht begreift, kann nicht verarbeiten und kommt in der Trauer nicht weiter. Um begreifen zu können(greifen), muss man sich vom Verstorbenen verabschieden, zum Begräbnis gehen, zum Trunk gehen etc. Wodurch sich der Kreis wiederum schließt. Die Älteren unter uns haben/hatten noch Großmütter, die ihren Ehemann im Krieg verloren haben. Viele davon blieben Witwen. Meist aus der Hoffnung heraus, dass der Geliebte unverhofft wiederkommen wird.(Hollywood zeigts uns doch oft so oder?) Wenn wir keine Körper haben, den wir begraben können, wie sollen wir glauben, dass jemand wirklich nicht mehr kommt.? Hm? Und nun stelle man sich vor, wenn es bei Erwachsenen schone schwierig ist, wie soll es dann ein Kind verstehen? Gar nicht! Also-> Verabschieden und mit zum Begräbnis!

Und ganz zum Schluss: Seit 1997 sehe ich sterbende Menschen und eines ist immer gleich:

Am Ende lassen wir die Maske fallen, ob wir wollen oder nicht!

 

 

 

Martina Weber  I  TRAUERCOACHING  I  EXPERTIN FÜR KINDER- UND FAMILIENTRAUERBEGLEITUNG

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